Johann Wolfgang Goethe
Schauspieleinrichtung von Francis Hüsers
Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden, eine Pause
Der berühmteste Briefroman der deutschsprachigen Welt als sinnliches Theaterstück auf der Großen Bühne: Goethes autobiographische Studie über Leidenschaft und Selbstmord aus seiner frühen Schaffenszeit, die als „Sturm und Drang“ in die Kulturgeschichte einging.
Der junge Werther ist ambitionierter Künstler und Außenseiter. Und Werther ist verliebt! Leidenschaftlich begehrt er Lotte, „einen Engel“. Doch Lotte ist mit Albert verlobt, dessen Frau sie werden will – und auch tatsächlich wird. Für Werther wird das Leben sinnlos. Akribisch plant er seinen eigenen Tod, dokumentiert genauestens seine Gefühle und Reflexionen auf dem Weg dorthin und erschießt sich mit einer ausgerechnet von Albert geliehenen Pistole. Doch treibt ihn wirklich „nur“ die unerwiderte Liebe in den Selbstmord? Goethe eröffnet einen Kosmos voller Romantik, jugendlicher Dramatik und Radikalität, er lässt uns lustvolles Sehnen nach Intensität und Begehren genauso miterleben wie die verzweifelte Suche nach Identität, nach Perspektiven und einer Rolle in der Gesellschaft.
„Die Wirkung des Büchleins war groß, ja ungeheuer, weil es genau in die rechte Zeit traf“, kommentierte Goethe später selbst den Erfolg des 1774 erstmals veröffentlichten Romans und erklärte, dass er sich selbst nur durch das Schreiben aus dem „stürmischen Elemente“ des Selbstmordprojektes habe retten können.
Zahlreiche Bühnenbearbeitungen und Adaptionen sind seitdem erschienen, die berühmteste wohl 1972 von Ulrich Plenzdorf als: Die neuen Leiden des jungen W.
Die Hagener Schauspielproduktion, mit der Francis Hüsers die Reihe von Inszenierungen klassischer Dramen (Schiller, Shakespeare, Tschechow) fortsetzt, wird unter Wahrung der originalen Sprache Goethes eine heutige Lesart präsentieren, die ebenso unterhaltend und anrührend wie intellektuell anregend zu sein verspricht. Psychologisch motiviertes Schauspiel verbindet sich mit Live-Musik, Videoeinspielungen und einem von modernem Tanz geschulten Bewegungsausdruck in einem von Alfred Peter entworfenen Bühnenbild, das einige Überraschungen bereit hält.
Fotos: Jörg Landsberg, Volker Beushausen
Gesamtkunstwerk auf der Bühne des Hagener Theaters
Werther, den Simon Gierlich (beeindruckend in seinen Emotionen) als vom Leben gelangweilter, nach Halt und sich selbst suchenden Heranwachsenden spielt, irrt selbstbezogen monologisierend in der Goethe’schen Originalsprache durch eineinhalb Jahre eines emotionalen Ausnahmezustandes, der in der Begegnung mit Lotte seinen Anfang nahm und in der verzweifelten Sehnsucht nach der Erfüllung im Tod sein Ende findet.
Bevor es aber soweit ist, tritt das gesamte Personal auf die Bühne, das Goethes Werther begleitet. Francis Hüsers holt sie in seiner auf drei Zeitebenen spielenden Schauspielfassung in die ausgeleuchtete Innenwelt seines Helden und lässt sie in des ‚armen Werthers‘ Seelenlandschaft Platz nehmen. […]
Dass Francis Hüsers dieses Werk in seinen Facetten, seiner historischen Sprache ganz und ganz ernst nimmt, erlaubt ihm, dem bekannten Stoff eine neue Lesart hinzuzufügen und als Gesamtkunstwerk auf die Bühne des Hagener Theaters zu bringen […]. Ein Kunstgriff hat dem Hagener „Werther“ spannende Aktualität gegeben, indem die Akteure ihre eigene Rolle in diesem Drama reflektieren – in heutiger Sprache. Hüsers nutzt hier Hans-Joachim Kösters Videokunst eindrucksvoll zur Schaffung einer Reflexionsebene außerhalb der Schauspielhandlung, die dadurch in unsere Gegenwart rückt. […]
In Hagen enden die Leiden in der klugen Inszenierung von Francis Hüsers in einem beklemmenden Schlussbild, das den Selbstmörder nach zwei Stunden vereint mit sich selbst aus dem Licht des Ballsaals ins Dunkel der Hinterbühne treten lässt, wo er endlich seinen Frieden findet. […]
Ein besinnlicher und inhaltlich dichter Theaterabend, für den das Publikum mit anhaltendem Applaus dankte.
Überzeugendes Schauspiel
Simon Gierlich bringt die emotionale Achterbahnfahrt des Werthers als schlaksigen jungen Mann überzeugend über die Rampe. Er verfällt der kokett-selbstbewussten Lotte von Anna Döing, die in Marcel Zuschlags Albert einen verständnisvollen Ehemann an ihrer Seite hat. Freund Wilhelm gibt Friedemann Eckert, der zum Teil auch als Werthers innere Stimme fungiert, als zunehmend an dem Wahn des Freundes Verzweifelnden. […]
Francis Hüsers hat sich für die rund zweistündige Produktion einiges einfallen lassen. […] Gespielt wird in einem schicken barocken Ballsaal von Ausstatter Alfred Peter. […] Die fantasievoll in Szene gesetzte Romanadaption lohnt einen Besuch im Theater Hagen.