Operette in drei Akten von Jacques Offenbach
Operette in drei Akten
Deutsche Gesangstexte von Julius Hopp mit Übertexten
In dieser aberwitzigen Operette nimmt sich Jacques Offenbach – der Meister der ironischen Travestie – des bekannten Märchens vom mordenden Ritter Blaubart an und verkehrt die düstere Geschichte in eine Parodie voll von spitzfindigem, absurden Humor und einer gehörigen Prise Gesellschaftssatire.
Dem Ritter von und zu Blaubart eilt ein schrecklicher Ruf voraus: Alle seine fünf Frauen starben stets kurz nach der Hochzeit auf unerklärliche Art und Weise; klar, dass die Gerüchteküche brodelt und dem lustigen Witwer – nicht ganz zu Unrecht – nachgesagt wird, hinter den Todesfällen zu stecken. Der Edelmann lässt sich davon aber nicht betrüben und ist bereits auf der Suche nach seiner sechsten Frau. Ähnlich effizient wie Blaubart mit seinen Ehefrauen umgeht, verfährt auch der notorisch eifersüchtige König Bobèche mit allen seinen vermeintlichen Nebenbuhlern und lässt sie beim ersten Verdacht permanent beseitigen. Doch als Blaubart in Boulotte seine neue Angetraute und König Bobèche seine verloren geglaubte Tochter Hermia wiederfindet, wendet sich das Blatt für die beiden Despoten: Die totgeglaubten Nebenbuhler und Ehefrauen leben nämlich in Wahrheit noch und sind nur allzu bereit, sich mit Hermia und Boulotte gegen das System aufzulehnen.
Regisseur Holger Potocki und Ausstatterin Lena Brexendorff haben sich am Theater Hagen sowohl als Spezialist*innen für die große Oper (u. a. La fanciulla del West, La Bohème) als auch für die Operette (Frau Luna, Pariser Leben) etabliert und bringen Offenbachs schrille Märchenpersiflage nach Hagen.
Fotos:Volker Beushausen
Mit Witz und Augenzwinkern
Potocki bringt durch seine Verortung nach Italien Offenbachs Ritter Blaubart seinem Publikum näher.
Das schmunzelt, lacht und kichert ganz zu Recht. Lena Brexendorffs Bühne verstärkt die Wirkung enorm, weisen doch viele Kleinigkeiten auf das Geschehen hin. Da gibt es wie auf einem Wimmelbild überall etwas zu entdecken. Ein absoluter Augenschmaus! Die Inszenierung am Theater Hagen zeigt mit Witz und Augenzwinkern die Aktualität der Offenbachschen Operette und das Ensemble bringt sie mit Spaß am Spiel rüber. Das Ballett Hagen sorgt für fantastische Einlagen, die sich perfekt in den Abend einfügen und wunderbar anzusehen sind. […]
Das Premierenpublikum ist absolut begeistert. Das äußert sich in Reaktionen während des Abends - aber auch im grandiosen Schlussapplaus. Dieser „Ritter Blaubart“ hat das Zeug zum Publikumsmagneten.
Ein richtiges Hörvergnügen
Tenor Santiago Bürgi […] zeigt den Blaubart mit Brusthaartoupet weniger als grausamen Psychopathen, denn als getriebenen Mann […].
Angela Davis ist die Frau, an der sich Blaubart endlich die Zähne ausbeißt. Die Hagener Sopranistin beweist in der Partie der selbstbewussten Außenseiterin Boulotte einmal mehr, wie überaus wandlungsfähig und klug sie ihre Stimme einsetzen kann, vom strahlenden, edlen Ton der hohen Oper bis zum vergnüglichen frechen Chanson. […]
Aus dem Orchestergraben funkelt und sprüht „Ritter Blaubart“ nur so vor musikalischer Intelligenz. Dirigent Rodrigo Tomillo lässt die Hagener Philharmoniker schlank spielen, durchhörbar. Dadurch gewinnt die Partitur nicht nur punktgenauen rhythmischen Witz, sondern eine enorme bewegliche Farbigkeit, ein richtiges Hörvergnügen.
Mit Leichtigkeit und Spielfreude
Potocki Mafia-Idee ist treffend. Denn „Ritter Blaubart“ zeichnet eine moralisch verkommene Gesellschaft, in der die Mächtigen machen, was sie wollen, und das als großen Spaß verkaufen. Und vertrottelte Mafiosi funktionieren zugegeben immer. […]
Das Hagener Ensemble lässt sich auf alle Verrücktheiten mit Leichtigkeit und Spielfreude ein, von [Anton] Kuzenok, der wie ein sympathischer Gummiball durch seine Szenen hüpft, bis zu Richard van Gemert als Oberschmierlappen. Santiago Bürgi ist verspielt mit seinem hellen, leichten Tenor und seiner Beweglichkeit. […] Er rockt seine Rolle. Angela Davis ist die Frechheit in Person and als Boulotte wie gewohnt sicher und ausdrucksvoll. Sehr schön Ofeliya Pogosyans leichtherzige Hermia. Ironisch abgeklärt ist Kenneth Mattice als Graf Oscar. Hagen-Goar Bornmann wertet die Szenen Popolanis mit lockerem Sarkasmus auf. Die Hagener Philharmoniker unter Rodrigo Tomillo klingen frisch und federnd. Das Timing sitzt.
Blaubart im Mafia-Milieu
Das Regie-Team um Holger Potocki versucht, die in Offenbachs Operette angepriesenen Missstände näher an die Gegenwart heranzuholen. Dafür hat man die Geschichte ins Mafia-Milieu verlegt, so dass für den Ritter Blaubart Don Corleone aus Der Pate Modell gestanden hat. […]
Das Ensemble setzt die Gags mit großem Spielwitz um. Da ist zunächst Santiago Bürgi in der Titelpartie zu nennen. Wenn er sein blaues Pferd besteigt, mit dem er Boulotte zum Altar führt und hinterher bei König Bobèche erscheint, verfügt er über eine grandiose Slapstick-Komik. […] Als italienischer Mafia-Boss ist er in Mimik und Gestik absolut glaubwürdig. Auch Richard van Gemert begeistert als unsympathischer Berlusconi-Verschnitt in der Partie des Königs. Die sexuellen Anspielungen sind zwar bisweilen etwas derb, passen aber zur Rolle. Anton Kuzenok gibt den Prinzen Saphir herrlich dämlich […]. Hagen-Goar Bornmann verleiht Blaubarts Handlanger Popolani mit bissiger Ironie markante Züge […].
Star des Abends ist einmal mehr Angela Davis als Boulotte, die mit großartiger Mimik deutlich macht, dass sie das ganze Spiel nicht mitmachen wird, da sie eine durch und durch selbstbestimmte Frau ist. Dabei glänzt sie mit strahlendem Sopran und zeigt beim eingefügten „Bella ciao“, dass sie auch andere musikalische Qualitäten hat. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen Applaus.
Pointen aus allen Richtungen
Der Regisseur Potocki steckt die Handlung der Operette in ein buntes Mafia-Milieu. Santiago Bürgi als Ritter oder eher Mafioso Blaubart ist Restaurant-Besitzer des „Barbe Bleue“, sein König Bobèche (Richard van Gemert) ein exzentrischer Politiker, der sein Anwesen und seine Familie für Propaganda-TV nutzt. Beide Sänger füllen ihre Rollen mit Energie und Exzentrik. Sie sind die trotteligen Bösewichte, über deren Machtgehabe man nur lachen kann. […]
Auch auf textlicher Ebene knallen Pointen aus allen Richtungen. Von Anspielungen auf Harry Potter bis zur Heiratsvermittlerin Tinda ist alles dabei. […] Dieser Humor weitet sich sogar auf die Musik aus. Unter der Leitung von Rodrigo Tomillo nimmt das Philharmonische Orchester Hagen an der Handlung teil. Und spielt dabei nicht nur Offenbach.