Oper von Peter Eötvös
Oper in drei Sequenzen
Libretto von Claus H. Henneberg und Peter Eötvös
nach Anton Tschechow
In russischer Sprache mit deutschen Übertexten
In drei „Sequenzen“ wiederholt Tri Sestry von Peter Eötvös die Handlung von Tschechows Schauspiel Drei Schwestern, doch jedes Mal aus einer anderen Perspektive: Die Geschwister Irina, Andrej und Mascha werden zur Titelfigur je einer Sequenz, während Olga, die dritte Schwester, auf eigene Art in allen Teilen präsent bleibt.
Eötvös gibt der Sehnsucht der vier Geschwister nach einem sinnerfüllten Leben musikalisch Ausdruck – Musik, die einerseits Stationen der Dramenhandlung in der Wiederholung wiedererkennen lässt, andererseits eine je eigene atmosphärische Klangwelt erfahrbar macht, mit der die psychologische Situation der einzelnen Figuren in ihrer individuellen Besonderheit nachvollziehbar wird.
Die 1998 uraufgeführte Oper gehört wohl deshalb zu den erfolgreichsten Stücken zeitgenössischen Musiktheaters, weil sie uns in neuer Musik kongenial den Gehalt von Tschechows Drama erleben lässt.
Die in Hamburg ausgebildete, an der Staatsoper München tätige Regisseurin Friederike Blum, arbeitet erstmals am Theater Hagen.
Der von Eötvös’ Partitur geforderte Einsatz von gleich zwei separierten Orchestern, von denen das eine auf der Bühne, das andere im Orchestergraben platziert werden muss, stellt dabei nur eine von mehreren Herausforderungen dar, die jede Inszenierung dieser Oper äußerst kreativ annehmen muss, um die Sinnlichkeit dieses Ausnahmewerks adäquat erfahrbar werden zu lassen. So wird Tri Sestry zweifellos einen Höhepunkt der Saison markieren. Auf keinen Fall verpassen!
Fotos: Jörg Landsberg und Leszek Januszewski
EINE GROSSE LEISTUNG
Die Musik von Peter Eötvös ist unentrinnbar dicht, komplex, anspruchsvoll und gleichzeitig nachvollziehbar und verständlich
Glissandi gehen über in Koloraturen, Melodien schälen sich heraus, ohne zu Arien zu werden. Das Philharmonische Orchester Hagen spielt auf der Bühne, das auf zeitgenössische Musik spezialisierte Ensemble Musikfabrik im Graben. Die beiden Dirigenten Joseph Trafton und Taepyeong Kwak leisten Außerordentliches. Scheinbar mühelos entfaltet sich ein musikalischer Sog.
Die Regisseurin Friederike Blum findet in Hagen faszinierende Bilder. Ausstatter Tassilo Tesche begrenzt die Bühne durch mehrere große Spiegel. Dadurch wird der Blick des Publikums mehrfach gebrochen. […] Die Kostüme sind so zeitlos wie es die Figuren sind: Peter Eötvös hat die Tschechow-Charaktere aus ihrer historischen Verortung gelöst, dadurch werden sie schneller fassbar. Zumal das mit vielen Gästen ergänzte Hagener Ensemble ausgezeichnet spielt und singt. Dorothea Brandt als Irina, Maria Markina als Mascha, Lucie Ceralová als Olga und auch Vera Ivanovic als dominante Natascha zeigen selbstbewusste Frauen, die sich fragen, ob die ersehnte Zukunft das Leiden in der Gegenwart wert ist. Sie haben keine Wahl, weil sie hoffen – auf Moskau, die Liebe, was auch immer.
105 Minuten dauert die Aufführung, eine Tschechow-Essenz, sinnlich und sezierend, gnadenlos und genau. Eine große Leistung des Hagener Theaters.
GROSSARTIGE INSZENIERUNG
Theater Hagen zeigt Oper in Hochform
Das Thema Selbstbespiegelung nimmt die Inszenierung von Tri Sestry am Theater Hagen wörtlich. Die Literaturoper nach Tschechows Drei Schwestern verwandelt die Szene mit reflektierenden Elementen in einen ausweglosen Raum, der zu den außergewöhnlichsten Bühnenbildern der Saison gehört. […] Tri Sestry in Hagen beweist unter großem Beifall des Premierenpublikums, was das kleine Hagener Haus kann, auf welch hohem Niveau dort gearbeitet wird. […]
Die raffinierte Partitur ist für zwei Orchester geschrieben. Joseph Trafton dirigiert im Graben das wunderbare Ensemble Musikfabrik, das führende Orchester für zeitgenössische Musik in NRW. Auf der Bühne spielen die ebenfalls großartigen Hagener Philharmoniker unter der Leitung von Co-Dirigent Taepyeong Kwak. Beide Orchester atmen die Musik, füllen sie mit Puls und Leben. […]
Tschechows Theaterexperiment übersetzen [Regisseurin Friederike Blum und Ausstatter Tassilo Tesche] in eine ebenso experimentelle Raumarchitektur, die einerseits dem Orchester auf der Guckkastenbühne einen Platz schafft und andererseits trotzdem gleichzeitig als eigenständiges Raumkunstwerk funktioniert, und zwar mit Hilfe von Spiegelwänden und einem Spiegelprisma, das aus dem Schnürboden sinkt. […]
Dorothea Brandt ist mit ihrem schönen lyrischen Sopran eine Irina, die mit dem Baron weggehen will, der von dem beeindruckenden Valentin Ruckebier alias Soljony erschossen wird. Maria Markina ist als Mascha unglücklich verheiratet und flüchtet sich in eine Liebschaft mit dem Oberst. Kenneth Mattice ist ein Andrej im Schlabberpullover, der Professor werden sollte und es nur zum Schreiber gebracht hat.